Bachler-Schpotz

 

Der Maibaum anno 2000 in Haader

Wer da glaubt, die Haaderer sind sehr ernsthafte Leut´, weil der Ort ein Wallfahrtsort ist, der irrt gewaltig. So hat es sich zugetragen, dass zum 1. Mai 2000 ein besonderes und seltenes Ereignis vorgefallen ist. 

Die Vorbereitungen waren in den letzten April-Tagen geschehen. Die Feuerwehr Haader möchte zum 1. Mai einen Maibaum - wie es der Brauch ist - aufstellen. Gestiftet wurde der Baum von Josef Kerscher. Der Baum wurde aus dem Wald geholt. Freiwillige Helfer schälten und schmückten den neuen Maibaum am Samstag den 29. April. Dabei wurde selbstverständlich die Anzahl der Schilder besprochen. Man kam überein, dass der Privatunterstützungsverein Haader, die Schützengesellschaft Hart, die Feuerwehr Haader und die Landfrauen mit jeweils einem Schild den Maibaum zieren werden.  
Es entfachte eine lebhafte Diskussion über das Schild der Landfrauen. Die Gestalter und Vorbereiter des Maibaums (in der Mehrzahl Männer) hatten nämlich vor, auf dem Wappen der Landfrauen einen Kochtopf und eine Beißzange zu befestigen. Da die Meinungsverschiedenheiten zwischen Männlein und Weiblein kein Ende nahmen, bot die Ortsbäuerin Brigitte den Herren zwei Kasten Bier an, wenn sie ein anderes und schöneres Schild fertigen. Das Angebot wurde allerdings als "zu wenig" bewertet und außerdem ......."das Schild mit dem Kochtopf und der Beißzange ist wunderschön." So ging der Samstag zuende, der Baum wurde fertig geschmückt in der Garage vom "Kramer" eingesperrt.

Am nächsten Tag, Sonntag den 30. April, war der Baum immer noch an Ort und Stelle. Die Damen waren missmutig und gereizt. Wie jeden Sonntag versammelte man sich in der Kirche zum Sonntagsgottesdienst. Und - wie jeden Sonntag - halten das starke Geschlecht und das schwache Geschlecht nach der Messfeier in getrennten Gruppen einen kleinen Plausch. Klar ist dabei auch, dass die Männer nur über wirklich wichtige Themen reden, während die Frauen lediglich "ratschen". Die wichtigen Unterhaltungen der Männer werden umgehend im Gasthaus Fuchs fortgeführt. Die Frauen müssen in der Regel nach kurzer Zeit nach hause um das Mittagessen zu richten. 

Doch heute, am 30. April ist natürlich der Maibaum Gesprächsstoff für beide Parteien. Die Frauen haben angedroht den Maibaum zu stehlen. Aber diese Ankündigung nahmen die Herren nicht ernst, denn wie sagt der Gemeinderat zur Pfarrhaushälterin: ...."de Weiber kinant des net....". Darüber war die holde Weiblichkeit so sauer, dass man umgehend den Beschluss fasste, den Maibaum sofort zu stehlen. Wenn die Männerwelt wichtige Themen bespricht (Gasthaus Fuchs), dann ist Zeit um den Maibaum zu entfernen. Wichtig dabei ist, dass alle Herren im Gasthaus versammelt sind. Wer kann dies besser kontrollieren, als Annette, die Tochter des Wirts. Annette stellte fest, einer fehlt noch im Gasthaus - der "Kramer" war noch nicht da. Aber nach kurzer Zeit war auch er beim Frühschoppen. Die meist verwendeten Sätze im Gasthaus waren:  ...mir san mir....  oder   ....uns stoit koana an Maibam...oder   .....niemals nicht kinant de Weiber an Maibam stoin....

Die Wirtstochter stellte schnell einen tatkräftigen "Frauentrupp" zusammen. Man versammelte sich eiligst vor dem Garagentor des "Kramers". Von der "Kramerin" hatte man sich den Schlüssel für das Garagentor erbettelt. Die zehn Damen nahmen mit einem kräftigen - ho ruck- den Baum auf und trugen ihn aus der Garage. Ganz zügig überquerte man die Strasse, weiter in Richtung Lagerhalle des Wirts. Die Frauen setzten den Baum fachkundig in der Lagerhalle ab. Das Tor wurde verschlossen, und die Hausfrauen beeilten sich auf dem Nachhauseweg. Den Frauen war ein entscheidender Schlag gegen die Männerwelt gelungen. Ganz freudig und stolz gingen die Frauen zurück in ihre Haushalte. Eine derartige Aktion ist der Damenwelt von Haader bereits zum zweitenmal gelungen. Die Vorgeneration hatte dieses Kunststück als erste fertig gebracht.

Die Freude war aber nicht von langer Dauer. Auf dem Heimweg waren die Männer bereits auf der Suche nach dem verschwundenen Maibaum. Und, - wer lange sucht, der findet. Die Herren hatten den Baum entdeckt. Allerdings haben sie einen groben Fehler begangen. Sie haben gegen das Brauchtum verstoßen und die Tür gewaltsam aufgebrochen. Der Maibaum wurde wieder zurücktransportiert und die "Kramergarage" verschlossen. Was während des Mittagessens in den einzelnen Häusern und Wohnungen gesprochen wurde, soll hier nicht berichtet werden. Es kann allerdings auch sein, dass nichts gesprochen wurde.

Die Frauen fühlten sich aufs Neue gedemütigt, und hatten bald einen neuen Einfall. Wieder traten einige Damen in Aktion und bereiteten am Nachmittag eine Überraschung vor.

Abends wurde dann der Maibaum aufgestellt. In größeren Orten oder Städten würde es zu tumultartigen Szenen und Ausschreitungen kommen - nicht so in Haader. Die Feuerwehr stellte in gewohnter Zuverlässigkeit den Baum auf und verankerte mit Pfählen zusätzlich das Traditionsstück. Es waren 4 Schilder auf dem Baum. An der höchsten Stelle, das Schild der Landfrauen in der ursprünglichen Version mit Kochtopf und Beißzange. Selbstgebundene Kränze schmückten nach oben hin den Baum. Ganz oben flattern im Wind kleine Bänder. Stolz steht der Maibaum 2000 neben dem Feuerwehrgerätehaus am Dorfplatz.

Die Landfrauen präsentierten jetzt ihren Beitrag zum Maibaumaufstellen. Eine mit Stroh ausgestopfte Puppe in blauer Feuerwehrkleidung wird in Augenhöhe am Baum befestigt. Auf dem Kopf hat die Gestalt einen feuerroten Helm. In der rechten Hand einen irdenen Maßkrug mit Schaumkrone. In der linken Hand wird eine rote Laterne gehalten. Diese Gegenstände sind dem nachgebildeten Haaderer-Feuerwehrmann zufällig zugeordnet. Man hätte dieser Puppe auch andere Utensilien zur Hand geben können. Rein aus Zufall hat man  den Maßkrug und die rote Laterne verwendet. Der Strohmann hat auf der Brust ein Schild mit der Aufschrift: Wache schläft.

Nach langem hin und her haben sich die Haaderer wieder vertragen. Da allerdings die Landfrauen wesentlich stärker in ihrem Ansehen geschädigt wurden, hat man die Feuerwehr zu einer Sonderleistung genötigt. Alle Landfrauen erhalten von der Haaderer-Feuerwehr ein Eis. Wer die Haaderer-Männer-Schleckermäuler kennt, der weis, dass sie auch gerne Eis essen. Der Beschluss wurde wieder geändert, weil einzelne Eisverpackungen teuer sind und man sparen muss. Die neue Vereinbarung war dann: Es werden nicht einzelne Tüten gekauft, sondern 18 Pfund Eis. Verspeist wird das Eis dann gemeinsam am Vatertag.

Und so war es. Am Vatertag dieses Jahres, am frühen Nachmittag waren alle vor dem Feuerwehrgerätehaus unter freien Himmel friedlich beim Eisessen. Es hat gemundet. Die Sonne ermöglichte dann auch, dass die Männer wieder wichtige Themen besprechen konnten.

Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser also am Vatertag nachmittags durch Haader kommen und am Straßenrand einen Eisstand erblicken, dann ist es die Haaderer Maibaum-Eis-Runde. Diese "geschlossene Gesellschaft" möchte in Gedenken an den Maibaum 2000 jährlich diese Veranstaltung wiederholen.